Projekt in Addis Abeba GODANAW

Shibire war 15, als sie ihr Dorf verließ und in die äthiopische Hauptstadt Addis Abeba ging, um ihren Eltern zu helfen. Sie arbeitete als Babysitterin bei Verwandten von Nachbarn ihrer Eltern.Doch ihr Arbeitgeber schlug sie zusammen und warf sie schließlich mitten in der Nacht auf die Straße. Um zu überleben, arbeitete sie als Prostituierte. Sie war schwanger, als ihre Kolleginnen sie zum “Shelter“ der Organisation GODANAW brachten. “Gott sei Dank wurde ich dort wie ein Mensch behandelt“, sagt sie. “Ich wollte das ungewollte Kind nicht großziehen. Aber bei GODANAW konnte ich einen Kurs zur Friseurin machen, und nun liebe ich mein Baby.“ 

Für Shibire und die anderen Straßenmädchen ist ihr “Shelter“ wie ein Stückchen Himmel auf Erden. “Shelter“ bedeutet “Schutz, Obdach“. Genau das finden die jeweils 40 Mädchen unter 18 Jahren für acht Monate bei GODANAW. Meist bringen sie ein neugeborenes Baby mit oder sind wie Shibire hochschwanger. Die Kinder sind das Ergebnis von Vergewaltigung und sexueller Ausbeutung, denen die jungen Frauen durch das Leben auf der Straße schutzlos ausgeliefert sind. Wie viele minderjährige Mütter in Addis Abeba allein auf der Straße leben und sich und ihre Kinder mit Betteln oder Prostitution durchschlagen, weiß niemand. Auf 100 000 wird die Zahl der Straßenkinder in ganz Äthiopien geschätzt, die meisten leben in der Hauptstadt. Ein Viertel davon sind Mädchen. Ihr Geschlecht macht sie besonders verletzlich.

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In den drei “Shelter“ haben die Mädchen die Zeit und Möglichkeit, ihre Kinder in Liebe anzunehmen oder sich für die Freigabe zur Adoption zu entscheiden. Vor allem aber soll ihnen in dieser Zeit der Ausstieg aus ihrem bisherigen Leben auf der Straße ermöglicht werden. Deshalb müssen alle Mädchen, die hier Schutz finden, an Beratungs- und Ausbildungskursen teilnehmen. Vorrangiges Ziel der Beratung ist es, ihnen das Gefühl von Würde wiederzugeben. Das Leben auf der Straße und die unterschiedlichen Erlebnisse des Missbrauchs haben die jungen Mädchen zwar äußerlich hart gemacht, aber ihr Selbstwertgefühl völlig zerstört. Im “Shelter“ lernen die Mädchen, dass sie “mit ihren Händen nicht nur betteln können...“. Sie erhalten eine handwerkliche Ausbildung, die sie dazu befähigt, selbst ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Auch gesundheitliche Aufklärung und Beratung, besonders im Hinblick auf HIV-Infektion und Familienplanung, gehören dazu. Die Kinder werden während der Kurse in einer Krippe betreut.

Nach acht Monaten müssen die Mädchen den “Shelter“ verlassen. Die meisten Mädchen, die an dem Programm seit 1995 teilnahmen, haben es tatsächlich geschafft, auf eigenen Füßen zu stehen und nicht mehr auf die Straße zurückzukehren. Auch nach ihrem Aufenthalt im “Shelter“ erhalten die Mädchen weiterhin Betreuung durch GODANAW. Sie bekommen Hilfestellung bei der Job- und Wohnungssuche. Außerdem können sie Kredite zum Aufbau eines Kleingewerbes (Verkaufsstand, Näherei etc.) aufnehmen, die zu 60 Prozent in kleinen Raten zurückgezahlt werden müssen. 

Die inzwischen 21-jährige Hiwot, Mutter des vierjährigen Azebs, hat es geschafft: Nach ihrem Aufenthalt im “Shelter“ hat sie in ihrem kleinen Stand bei Wind und Wetter Snacks verkauft. Ihren Kredit konnte sie schon zurückzahlen. “Es ist schwierig, aber ich lerne jeden Tag dazu. Und ich tue es für Azeb, das macht mich jetzt stark“, sagt Hiwot. Für die Mädchen, die in diesem Jahr im “Shelter“ leben, ist Hiwot ein Mut machendes Vorbild.

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